DER FALL HAU

Nach dem Roman von Bernd Schroeder
Theaterfassung von Rudi Gaul
Du hast einen schönen Glauben
an die Gerechtigkeit der Justiz.

Korsika, Mai 1901. Ein eleganter junger Mann mit den besten Manieren zieht die Blicke gleich dreier Frauen auf sich: es sind die Schwestern Lina und Olga und ihre Mutter Josefine Molitor aus Baden-Baden. Während die Mutter ihn für ihre Jüngste Olga vorsieht, flieht er mit der Älteren, Lina, in ein ungleiches Liebesabenteuer. Sie heiratet ihn, geht mit ihm nach Amerika. Karlsruhe, sechs Jahre später: Der junge Mann, Karl Hau, ist angeklagt, seine Schwiegermutter ermordet zu haben. Lina begeht Selbstmord. Eine zwielichtige Rolle spielt Olga. Die erdrückende Last der Indizien spricht jedoch gegen Hau. Wer ist dieser Mann, der zwischen gewinnender Intelligenz, angemaßter Grandezza und Hochstapelei schillert? Obwohl er die Tat immer bestreitet, wird er zum Tode verurteilt, dann zu lebenslanger Haft begnadigt. Als er 1924 freikommt, betritt er ein verändertes Land: das Deutschland der Weimarer Republik, in dem der Nationalsozialismus sich ankündigt. Auf den Spuren von Bernd Schroeders mitreißender Rekonstruktion, die zugleich das Psychogramm einer Epoche skizziert, untersucht der Theater- und Filmregisseur Rudi Gaul einen der rätselhaftesten Kriminalfälle des Kaiserreichs. Die Schauplätze dieses berühmten Baden-Badener Mordes haben das Jahrhundert überdauert: die Lindenstaffeln, die Kaiserin Augusta in der Lichtentaler Allee, die Kaiser-Wilhelm-Straße direkt überm Theater. Ist Hau Unrecht geschehen, wie nicht nur sein Enkel immer noch behauptet? Kann menschliche Justiz überhaupt wirkliche Gerechtigkeit herstellen?

Zu allen Vorstellungen findet jeweils 30 Minuten vor Beginn eine Einführung im Spiegelfoyer statt.

PROGRAMMHEFT (PDF)

Als amouröser Hochstapler, als Angeklagter und als Gefängnisinsasse steht Mattes Herre in der Rolle des Carl Hau im Zentrum des Bühnengeschehens. Überzeugend gelingen ihm die Rollenwechsel, die er mit großem Pensum zu leisten hat. Die Grande Dame des Baden-Badener Theaters, Rosalinde Renn, verkörpert mit sensibler Einfühlung die autoritären und gleichzeitig unterwürfig-obrigkeitshörigen Charaktere der Wilhelminischen Kaiserzeit im Part des Gerichtspräsidenten, eines ermittelnden Polizeikommissars und als sezierender Gerichtsmediziner im anatomischen Institut, aber auch als vom eleganten Auftreten Carls eingenommene Schwiegermutter. Nadine Kettler ist mal Lina , die sich auf erotische Anmache versteht, mal eine nebulöse Zeugin vor Gericht, Staatsanwalt oder Journalist. Maria Thomas spielt mit agiler Präsenz und flunkerndem Mädchen-Charme Olga, aber auch andere Haupt- und Nebenfiguren.
(Die deutsche Bühne, zur ganzen Kritik hier klicken)

"In Baden-Baden rollt "Der Fall Hau" einen privaten Skandal auf, der aus den fragwürdigen Umständen seiner gerichtlichen Ahndung zum Gegenstand eines juristischen Exempels wird und die grundsätzliche Frage nach den Grenzen des Rechts aufwirft. Das gelingt dank der Spielfreude und Vielseitigkeit der vier Darsteller überzeugend (...)." (BNN)

"Rudi Gauls Inszenierung will vieles und erreicht vieles. Natürlich kann auch sie die Frage aller Fragen - schuldig oder unschuldig? - nicht klären, aber sie bringt diesen ganz und gar außergewöhnlichen Kriminalfall in einer angemessen außergewöhnlichen, dabei hochvirtuosen Aufführung fast genau am Ort der Tat auf die Bühne - das ist spektakulär." (BT)

"In der Uraufführung kitzelt der Regiesseur aus dem spektakulären Stoff nicht nur das tragische Potenzial der Liebesgeschichte Carl Haus mit gleich beiden Töchtern Molitor heraus. Ihm gelingt es, Schroeders Psychogramm des zerfallenden Kaiserreichs und der Weimarer Republik vom dokumentarisch trockenen Ballast der Geschichtsakten, Briefe und Protokolle weitgehend zu befreien. Dabei lässt die Regie diese Ebene bewusst mitschwingen." (Theater der Zeit)