VERBRECHEN UND STRAFE
Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie ist jedem Menschen qua Geburt gegeben und kann nicht entzogen werden. Aber soll dieses Prinzip wirklich auch für die kaltherzige Wucherin Aljona Iwanowna gelten? Der hochmütige Jura-Student Raskolnikow sieht in ihr nicht mehr als eine überflüssige Laus. Er könnte seine genialen Ideen verfolgen, wenn er hätte, was ihm fehlt: Geld. Sie hat es. Ein schlechter Mensch weniger auf der Welt, so denkt er, würde diese zu einem besseren Ort machen. Mit einem Beil schlägt er der alten Frau den Schädel ein – und durch einen unglücklichen Zufall auch ihrer Schwester, ein Kollateralschaden. Raskolnikow wäre so gern kalt, berechnend, überlegen, gäbe es da nicht dieses verfluchte Gewissen, das ihn nach der Tat verfolgt.
Zum 200. Geburtstag Dostojewskijs, des berühmten Gastes in Baden-Baden, inszeniert Gernot Plass den Thomas Mann zufolge größten Kriminalroman aller Zeiten, bekannter unter seinem früheren, stärker moralisierenden deutschen Titel „Schuld und Sühne“. Dostojewskij sah eine schreckliche Welt heraufkommen, in der alles erlaubt ist. Er fürchtete, wenn alles erlaubt ist, geschieht auch alles. Gernot Plass, von Haus aus Musiker, transformiert in seinen Überschreibungen die Texte in Versmaß. Auf der Bühne entfalten sie eine ungeheure Wucht und Dynamik – ideal für die ruhelosen Figuren dieses Petersburger Fiebertraums.
„Plass liefert mit seiner rund zweistündigen Bühnenfassung des rund 700 Seiten starken Werks Dostojewskis eine intellektuelle Inszenierung: kühl, klug, voller moral-ethischer Anspielungen und im Kern reduziert.“ (BT)
„Herausragend dabei Jonathan Bruckmeier in der Rolle des mit dem eigenen Leben hadernden Studenten Raskolnikow. Ihm gelingt das Kunstwerk, die depressive und schizophrene Grundhaltung des Protagonisten über leichte Nuancen im spielerischen Ausdruck beständig zu variieren.“ (BT)